Bei der digitalen Transformation geht um weit mehr als nur Technik. In dem sehr lesenswerten Buch „Digital Business Leadership“ von Ralf T. Kreutzer, Tim Neugebauer und Annette Pattloch sehen die Autoren vor allem Chancen zur Erneuerung von Wettbewerbsvorteilen durch die Digitalisierung. Eine agile Organisation und konsequentes Change Management sind wesentliche Eckfeiler zur Umsetzung digitaler Transformationsprozesse. Und die Ziele der Transformation müssen vor allem auch klar kommuniziert werden: erst dann kann man demnach von „Digital Business Leadership“ sprechen.

De-facto gibt es übrigens gar kein „nicht-digitales“ Unternehmen mehr. Alle Unternehmen sind schon heute mehr oder weniger digital. Das fängt etwa bei der elektronischen Versendung von Rechnungen an. Den Autoren geht es aber nicht um diese Art von digitaler Prozessoptimierung, sondern um neue, digitale Geschäftsmodelle und tiefgreifende Veränderungsprozesse, die auch das jeweilige Ökosystem mit einbeziehen. Also neben den Mitarbeitern vor allem auch Kunden oder sogar Mitbewerber.
Die Autoren sehen acht Handlungsfelder zum Aufbau einer Digital Business Leadership. Hierzu gehören etwa Guidelines für das digitale Zeitalter, die Ausgestaltung einer digitalen Organisation und das entsprechende Controlling. Auch Schlüsselfelder wie Nutzerzentrierung (digitale Customer Journey) und Innovationsprozesse sind elementar. Natürlich kommt auch die IT als Enabler nicht zu kurz. Nicht überraschend ist die Feststellung, dass das Web ein wesentlicher Treiber für digitale Transformation ist. Spannender sind die Ausführungen zum Thema (offene) Standards, die leider vielen digitalen Projekten zu kurz kommen. Auch die Bedeutung von Open Source Software ist in Hinblick auf Dynamik und Verbreitung innovativer Entwicklung treffend. Der Stellenwert einer adäquaten IT-Architektur wird zwar durchaus angesprochen, hier wäre etwas mehr Tiefgang wünschenswert. Da aber die Autoren eher eine ganzheitliche Sicht und vertreten und eben nicht nur die „IT-Brille“ aufhaben, ist das sicher kein echtes Manko. Wer sich mehr mit der Technik befassen will, muss sich flankierende Literatur besorgen.
Gut gefallen haben mir prinzipiell die Best Practices. Die genannten Beispiele, etwa ImmobilienScout24 oder das Berliner Marktforschungs-Startup Dalia Research, sind spannend und zeigen das Potenzial auf. Schön wären auch ein paar Beispiele aus anderen Themenfeldern, insbesondere im Bereich Internet of Things (IoT) oder Industrie 4.0 gewesen. Hier gibt es ja auch jede Menge neue Geschäftsmodelle und sogar tatsächlich disruptive Ansätze.
Das Buch ist anschaulich und verständlich geschrieben, auch wenn an der einen oder anderen Stelle die wissenschaftliche Fundierung etwas zu umfangreich geraten ist. Dies ist wohl dem Umstand geschuldet, dass die Autoren den Spagat von Praxis, Lehre und Forschung meistern mussten. Auf jeden Fall ein guter Einstieg in das Thema „Digitale Transformation“ mit einem umfassenden Überblick, anschaulichen Beispielen und konkreten Ansatzpunkten!
Den Link zum Buch finden Sie hier.